Aktivitäten
(von Hans-Dieter Wolf )
"Moin, moin", das hörte man beim 12. Usertreffen täglich. Kein Wunder, ging es diesmal doch in der Hansestadt Hamburg über die Bühne. Mit der traditionellen Wiedersehensfreude, der üblichen Portion Ortsgeschichte und einer tollen Neuerung: Zwei informativen Vorträgen.
Fangen wir am Anfang an. Wie immer tauchten die ersten schon am Donnerstag auf, peilten die Lage, das Hotel und die Umgebung. Diesmal trieb es die (noch kleine) Truppe an den Jungfernstieg, wo man sich in der lauen Sommernacht an der Außenalster so richtig auf das Wochenende einstimmen konnte. Es wurde auch schon deutlich, dass es in Hamburg allerhand zu sehen und hören gibt, von donnernden Motorrädern über aufheulende Protz-Autos bis zu ausgefallenen Typen und alten Häusern.
Der Freitag gehörte einmal mehr dem Wiedersehen, denn ab Mittag trafen die Userrinnen und User ein. Viele kannten sich und neue wurden schnell integriert. Schließlich gab es da schon viel zu erzählen, nicht nur über Gott und die Welt, sondern natürlich vor allem, was sich an der gesundheitlichen Front so getan hat. Frisch Transplantierte waren diesmal da und in einem Jahr hat eben jeder etwas erlebt im Ringen um die beste Behandlung.
Am Abend dann das erste Buffet, leider mit vielen langen Gesichtern, was in einer Beschwerde in der Küche gipfelte. Versöhnlicher Ausgleich: Die Küche entschuldigte sich, gelobte Verbesserung und stiftete eine Runde.
Bevor das überprüft werden konnte, stand ein langer und heißer Samstag auf dem Programm, nämlich Stadtführung samt Hafenrundfahrt. Doch zwischen Frühstück und Besichtigungsprogramm gab es diesmal eine Neuerung, einen Vortrag. Thomas Lehn, Heimhämodialysepatient, seit 43 Jahren dialysepflichtig und Vorstandsmitglied in der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Dialysezugang e.V. (IAD) kümmerte sich um das Thema "Der Dialyseshunt - die Lebensader des Dialysepatienten". Viele Dialysepatienten vernachlässigen ihre Lebensader oder schenken ihr zu wenig Beachtung. Der Vortrag sensibilisierte, wie wichtig ein gut funktionierender Dialysezugang ist. Er ist die Garantie für eine effektive Dialyse und deshalb eine Versicherung für gute Lebensqualität mit der Hämodialyse.
Thomas Lehn spannte einen weiten Bogen. Einmal lag ein Schwerpunkt auf der Erstanlage eines Shunts, der besonders große Bedeutung zukommt. Lehn riet dringend, sich hier nur einem erfahrenen Shuntchirurgen anzuvertrauen, damit eine solide Basis für eine erfolgreiche Dialyse gelegt wird. Dieser Chirurg sollte es dann auch sein, wenn der Shunt Probleme macht oder nach einer erfolgreichen Transplantation möglicherweise geschlossen werden muss.
Den zweiten Schwerpunkt legte Lehn auf die sorgfältige Behandlung des Shunts im Alltag, insbesondere vor und nach der Dialyse. Hier sind die Hygiene und das regelmäßige möglichst fehlerfreie Punktieren sowie das ausreichend lange Abdrücken wichtige Faktoren. Immer wieder konnte Lehn das anhand seines eigenen Beispiels praktisch untermauern, was automatisch zum dritten Schwerpunkt führte. Denn sozusagen nebenbei war der Vortrag ein Einblick in die Geschichte der Dialyse in Deutschland. Als beim gerade 14-jährigen Thomas 1970 die Nieren versagten, war Dialyse, vor allem Dauerdialyse, noch ein Verfahren in den Anfängen und Kinderdialyse im experimentellen Stadium.
Anhand zahlreicher Bilder zeichnete Lehn ein ebenso deutliches wie drastisches Bild jener Dialyse-Steinzeit, für die meisten der Zuhörer völlig neu und nahezu unglaublich. Denn heute gibt es keinen Mangel an Dialyseplätzen, das Verfahren ist wesentlich Kreislauf schonender geworden, es gibt Epo gegen den Sauerstoffmangel im Blut und auch mit Nebenerkrankungen kann dialysiert werden. Am Ende gab es viel Beifall für den Referenten, der am ganzen Wochenende für Gespräche zur Verfügung stand.
Dann ging es in den Doppeldeckerbus mit offenem Verdeck. Von dort konnte man am besten sehen, musste aber auch mit Ästen rechnen und unreifen Äpfelchen ausweichen. Die brennende Sonne wurde durch den Fahrtwind ein wenig wettgemacht.
Bei ausführlichen Informationen unserer Reiseleiterin und zahlreichen Anekdoten aus der Geschichte Hamburgs sowie der aktuellen Highsociety ging es einmal die Hamburger Prachtstraße Elbchaussee hinauf und wieder hinunter, rechts und links gespickt mit historischen, prächtigen und auch verrückten Villen.
Natürlich fuhren wir die Reeperbahn mit ihren aufdringlichen Leuchtreklamen entlang. Da gab es einen Zwischenstopp an Deutschlands berühmtester Esso-Tankstelle mit Getränkekäufen, aber ohne Handgreiflichkeiten. Stopp natürlich auch am Hamburger Michel, der leider wegen eines Orgelkonzertes geschlossen war, aber dennoch stark beeindruckte.
Am Hafen war etwas Zeit für einen kleinen Imbiss, dann wartete schon die Barkasse Otto Abicht, die uns zwei Stunden durch den riesigen Hamburger Hafen schaukelte. Vom riesigen Kreuzfahrtschiff (es lag die Aida Luna vor Anker) über überdimensionale Kräne im Containerhafen bis zum Frachtschiff mit 250 Meter Länge gab es alles zu sehen. Aus der Perspektive einer Barkasse praktisch vom Wasserspiegel aus war das Ganze noch beeindruckender. Unser Käpt'n hatte einige kurzweilige Geschichten dabei, garniert mit etwas Seemannsgarn. Wir sahen aber nicht nur die Container-Verladestationen, sondern auch die Docks und durften "ganz geheim" ein fast fertiges Schiff der Bundesmarine bestaunen.
Vom Wasser aus erlebten wir die Speicherstadt, einst riesiges Lager für Waren aller Art, die in alle Welt verschifft wurden, schließlich war Hamburg eine der wichtigsten Hansestädte. Heute gibt es hier Ausstellungen, Künstlerwerkstätten, Geschäfte und Wohnungen.
Turmhoch ragt die Elbphilharmonie empor, von deren Erfolg unser Skipper überzeugt war. Wetten, ob Stuttgart 21, der Berliner Flughafen oder die Elbphilharmonie zuerst fertig werden, wollte er aber nicht annehmen . und über Geld wird ja sowieso nicht geredet.
Nach diesem Ausflug auf's Wasser stand unser Bus wieder bereit und mit einigen kleinen Umwegen ging es zurück zum Hotel. Vor dem Abendessen gab es dort noch die Jahreshauptversammlung des Vereines "Nierenpatienten-online". Dank eines sehr großzügigen Zuschusses des AOK-Bundesverbandes konnte dieses Treffen nämlich zu einem Preis organisiert werden, der es vielen Usern erst ermöglichte teilzunehmen. Am Ende waren über 40 Teilnehmer mit von der Partie.
Das deutete auch der Vorsitzende des Vereins, Herbert Mayer (Gondelsheim) an, als er am Abend das Buffet eröffnete. Diesmal waren alle zufrieden und der Samstagabend wurde zu jenem Mittelpunkt an Austausch, der er ja bei jedem Treffen ist. Da gibt es diejenigen, denen die Dialyse ins Haus steht, da erzählen Dialysepatienten von den verschiedenen Verfahren der Blutwäsche, Transplantierte berichten über ihr "neues" Leben und Angehörige sind ebenfalls eingebunden. Neben vielem Erfreulichen werden aber auch die Probleme artikuliert, denn neben den kranken Nieren bedeuten meist auch andere körperliche Zipperlein Einschränkungen im Alltag - und irgendeiner hat bestimmt einen Ratschlag dazu.
Zum Samstagabend gehört das Dankeschön an den Organisator.
Das war diesmal unser Limo, dessen Organisation mit viel Beifall belohnt wurde. Bescheiden, wie er nun mal ist, wies er auf alle möglichen anderen Leute, aber das alles gut klappte, ist nun mal sein Verdienst. Während dann so diskutiert und erzählt wurde, war ein "Findungsprozess" im Gange, denn in den Gesprächsrunden ging es immer wieder um die Frage "Wohin geht es nächstes Jahr?". Herbert Mayer verkündete schließlich, dass es vom hohen Norden in den Süden geht, in die älteste deutsche Stadt, nach Trier.
Am nächsten Morgen stand ein weiterer Vortrag an, eigentlich mehr ein Workshop mit Herbert Mayer, Thema: "Sich selbst und andere besser verstehen - eine kleine Reise mit mir selbst, Kommunikation im Alltag, Konfliktentstehung und - Bearbeitung". Was sich so trocken anhörte entwickelte sich zu einem spannenden Thema über die Frage, wie man erfolgreiche Kommunikation mit anderen erreicht und was man selbst dazu beitragen kann, wobei es unausweichlich ist, das eigene Selbstbild zu beleuchten. Die Ergebnisse haben sogar über Beruf und Privatleben hinaus Bedeutung für die Krankheit, denn erfolgreiche Kommunikation braucht man nicht zuletzt in der Dialysestation und im Arztgespräch. Obwohl die Mittagszeit heranrückte gab es das tränenreiche Abschiedsritual und das feste Versprechen eines Wiedersehens im nächsten Jahr - Trier, wir kommen!